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Beziehungen - Symbiosen in der Natur

06.03.2023

Beziehungen - Symbiosen in der Natur
Bei verschiedensten nichtmenschlichen Organismen (non-human societies) sind Beziehungen, Partizipation und Teilhabe ebenso wichtig wie in der menschlichen Gesellschaft.

Beziehungen zwischen denselben Arten – Aufzucht von Jungen, Körperpflege, Raum vorbereiten für Paarung et al.  - wird in diesem Text nicht weiter eingegangen.

Vielmehr liegt der Fokus auf Beziehungen von unterschiedlichen Arten.

Unter Beziehungen zwischen unterschiedlichen Arten sowie weitere Beziehungen zwischen Arten und Organismen versteht man enge und dauerhafte gegenseitige Förderungen, die für ein funktionierendes Leben in der Natur notwendig sind. Es gibt auch einseitige Beziehungen, die für einen Partner von Nutzen sind, für die anderen Partner bedeutungslos.

Positive Beziehungen beziehen sich auf eine Förderung für eine besondere Wirkung. Sie sind nicht als absichtliches Handeln zu verstehen.

Ethische Wertungen sind menschengemacht und existieren in der Natur nicht. Neben dem Kampf und dem Gesetz des Stärkeren, geht es somit vor allem auch um positive Beziehungen – Mutualismus, Symbiosen, Kooperation - zwischen den Arten, die wichtig sind für den Evolutionsprozess.

Es existieren diverse Funktionen positiver Beziehungen:      

Schutz

Ernährung

Transport

Nutzung spezieller Lebensräume durch Tiere

In unserem Zusammenhang sollen Pilze, Flechten, Regenwürmer und Ameisen im Besonderen erläutert werden.

Pilze leben vom Abbau von abgestorbenem Material und liefern den Pflanzen Nährstoffe und ermöglichen Humus.

Diese Symbiose bildet einen Kreislauf im Werden und Vergehen.

Die Beziehung zwischen einer Pflanze und einem Mykorrhizapilz (mykes = Pilz, rhiza = Wurzel) ist eine weitere positive Beziehung als Symbiose.  Ein Geflecht von Pilzfäden (Hyphen) umgeben die Feinwurzeln der Pflanze, die bis ins Innere der Wurzelzellen reichen. Das Pilzgeflecht leitet Phosphor- und Kohlestoffverbindungen aus dem Boden zu den Pflanzenwurzeln. Die Pflanze kann durch die Fotosynthese einfache Kohlehydrate herstellen, wovon ein Teil der Pilz erhält. Der Pilz seinerseits versorgt die Pflanze mit lebensnotwendigen Nährstoffen, die er dem Boden entnimmt.

Orchideen leben mit einem speziellen Typ von Wurzelpilzen in Symbiose, auf die sie angewiesen sind für ihr Wachstum. In die Samen der Orchideen, die nahezu keine Nährstoffe enthalten, dringen die Hyphen des Pilzes ein und später in die Wurzeln des Keimlings und versorgen die Pflanze mit Nährstoffen.

Es existieren auch Pilze – solche mit oberirdischen Fruchtkörpern aber auch Schimmel- und Rostpilze – die durch ihre unterirdischen Hyphen pflanzenschädigende Fadenwürmer fressen.

In Flechten leben Pilz und Grünalgen in einer Symbiose, in einer engen und dauerhaften Beziehung.

Beziehungen, die für einen Partner bedeutungslos sind, aber für weitere Nutzniesser lebensnotwendig, finden sich beim Kot von Tieren, in welchem sich Pilzsporen und Bakterien finden. Dieser Kot nährt die Pflanzen, die ihrerseits durch den Frass in den Verdauungstrakt der Tiere gelangt, die für diese lebensnotwendig sind.

Viele Pilzarten werden durch Tiere verbreitet. Der Geruch der Fruchtkörper zieht viele Tierarten an, die sie fressen und deren Sporen sie ausscheiden. Oder aber das sporenhaltige Gewebe bleibt am Fell der Tiere kleben, wodurch sie weitertransportiert werden. 

Regenwürmer, Ameisen und weitere Bodentiere fördern durch ihre Grabetätigkeiten das Pflanzenwachstum in vielfältiger Weise. Durch das Graben in die Erde wird das Eindringen von Wasser und Luft in den Boden gefördert. Die nährstoffreichen Wurmhäufchen auf Wiesen und Weiden können eine grosse Vielzahl Samen

enthalten, die Keimlinge verschiedenster Arten gedeihen lassen. Ameisen wirken auch als «Gesundheitspolizei», indem sie Kadaver kranker Tiere fressen oder vergraben und dabei die Ausbreitung von Krankheiten verhindern. Sie eliminieren auch Pflanzenschädlinge, indem sie Fressfeine oder Zecken beseitigen.

Jean-Damien Fleury. Ecce Homo

Jean-Damien Fleury. Ecce Homo

Viele Menschen gehen davon aus, dass Überleben einen Kampf ums Dasein notwendig macht, somit das Gesetz des Stärkeren dominiert, was ausschlaggebend ist für die Evolution. So ist eine der gängigen Theorien, dass jeweils der Überlebenstüchtigere sich innerhalb der Population vermehrt, sodass dieser sich im Laufe der Zeit immer mehr von der ursprünglichen Art unterscheidet und schliesslich zu einer neuen Art entsteht.

Dabei stellt sich die Frage, ob auch oder ob vielmehr die positiven Beziehungen zwischen den Arten und innerhalb derselben evolutionsfördernd sind. So könnte es sein, dass der Überlebenstüchtigere durch eine Förderung mit einer anderen Art möglich wurde, somit in der Evolution nicht nur der Kampf des Stärkeren dominiert, sondern die Förderung zwischen den Arten die Evolution vorantreibt. Diese positiven Beziehungen betreffen sogar den menschlichen Organismus, die Mikroorganismen, die in und auf dem Organismus leben. Diese oft einseitig bevorzugte Betrachtungsweise, die den Kampf und die Konkurrenz bevorzugt, wird nicht selten undifferenziert auf das Zusammenleben der Menschen und Gesellschaftsmodelle übertragen. Partnerschaftliches Naturverständnis und Verhalten kann durch die Förderung von positiven Beziehungen, durch einen sorgsamen Umgang mit der Natur statt eines Wirkens gegen sie, ein Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur ermöglichen. Das Übertragen einer entsprechenden Haltung in die menschliche Kultur, ein vielfältiges Fördern und gefördert werden, wirkt sich in der menschlichen Gesellschaft positiv aus.

Dass human und non-human nicht voneinander zu trennen ist, ist evident, beide machen die Gesamtheit der Lebewelt auf Erden aus.  Wie bei den Arten in der Natur können auch die Menschen ein viel breiteres Spektrum an Lebensräumen besiedeln, als wenn sie allein leben würden. «Wir sind Symbionten auf einem symbionitischen Planeten.» (Lynn Margulis. Der symbiotische Planet oder Wie die Evolution wirklich verlief, 1998)