Mit dem Medium Film, mittels Plakate, Projektionen, Installationen von Dokumenten und Objekten sowie mittels des Handwerks zur Erstellung von Trockenmauern und durch die Gestaltung eines temporären Gartens fordert die Ausstellung „De l’Utopie à la Réalité: transgression des frontières et activisme“ im Umfeld des Hôtel des Halles und des Jurassica Museums eine kritischen Auseinandersetzung mit unserer Zeit, global und lokal.
Die Gruppenausstellung versteht sich als Weiterführung eines Themenbereichs, der für das Musée du papier peint in Mézières von der transdisziplinär agierende Künstlervereinigung CHARLATAN vor zwei Jahren etappenweise entwickelt wurde und in einer finalen Ausstellung mit Gartengestaltung ihren Höhepunkt fand. Gleichermassen wurde das Paradis (als Mythos in Bezug zum auserwählten Ort) & dieUtopien in unserer Gesellschaft befragt: Paradis & UTOPIES, ceci n’est pas qu’une exposition: LEBEN IN MÉZIÈRES (11.7.-13.9.2015)
Die Ausstellung in Pruntrut befragt nun, von der Utopie für eine bessere und egalitäre, offene Gesellschaft ausgehend, die Realitäten in unserer Zeitgenossenschaft, wobei es die leitmotivische Grenze zu diskutieren und Grenzüberschreitungen zu vollziehen gilt. Ausgangspunkt für die Gruppenausstellung bildet die grenznahe Stadt Pruntrut und das Leitmotiv der Mauer, die Grenzen zeichnet und Grenzräume bildet. Dem Themenbereich entsprechend verlassen wir – CHARLATAN mit einigen Kollaborateuren – den espsace d’art contemporain und lassen uns im Umfeld als auch im Garten des Jurassica Museum nieder.
Im White Cube des espace d’art contemporain findet sich einzig die Projektion „ One Flew over the Void (Bala perdida)“ von Javier Téllez (*1969): ein Film des in New York lebenden Venezuelaners aus dem Jahr 2005, in welchem sich der Künstler auf ironische Weise mit Grenzen (zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko / zwischen Normalität und Abnormem) auseinandersetzt, die in spielerisch-halsbrecherischer Weise mit Performances von Insassen der dortigen psychiatischen Anstalt und von einem menschlichen Kanonenball überwunden wird.
Die Hoffnung und Forderung auf ein besseres Leben zeichnen ebenso diverse Interventionen im Umfeld des Hôtel des Halles aus: Plakate und Dokumente im Zwiegespräch zueinander finden sich in Vitrinen und als Projektionen nachts im Hof von Jean-Damien Fleury (*1960), Jean-Louis Miserez (**1948) und Philippe Queloz (*1962). Sie erzählen von bestehenden Ungerechtigkeiten und, beharrend auf dem Postulat von Freiheit und Eigenbestimmung, von der Notwendigkeit zu agieren.
Der temporäre Garten abbraccio_radices agere _ wurzeln schlagen _ part 3, konzipiert von Christiane Hamacher (*1959) & Isabel Moesch (*1954) begrünt nicht nur den Hofraum, sondern bildet mit diversen Bäumen und Sträuchern – Buchs, Birke, Datura, Hanfhibiskus, Szechuanpfefferbaum, Zierapfel, Hartriegel, Kaki – einen Hain, der zum Eingang des EAC hinführt. Als Hereotopie – als wirklicher und wirksamer Ort im Sinne einer Gegenplatzierung und realisierten Utopie versteht sich der Hain als „Andersort“. Was vermögen die hier versammelten Sträucher und Bäume hierfür auszurichten? Die Bäume und Büsche dienen zur Förderung der Liebesfähigkeit. Aphrodisiaka, Potenzmittel, Fruchtbarkeitsmittel, Liebeszauber und Liebestränke aber auch Antiaphrodisiaka und Liebestöter können aus ihnen hergestellt werden.
Zwei am Auspuff miteinander verbundene Autos sind von Olivier Suter (* 1959) als explosives Potential und Mahnmal in den Weg gestellt worden, „ L’arroseur arrosé “ gemahnt an das abusive menschliche Handeln dem Planeten gegenüber, der auf dem Weg ist, sich selbst zu zerstören.
Im Garten des Jurassica Museums wird eine kreisförmige Bank in ihrer Form von einer Trockensteinmauer aufgenommen und einem bestehenden Weglauf entlang weitergeführt (work in progress). Konzipiert und ausgeführt wird diese Mauer, die künftig von Lebewesen und Pflanzen als neuer Lebensraum in Anspruch genommen wird, von Francine Beuret und ihren Zivildienstleistenden.
Mit in der Partie im Rahmen von CHARLATANS Denken und Wirken ist der in Porrentruy ansässige Anthropologe Jeremy Narby (*1959). Er wird uns am 31.10. einen Vortrag über die Trunkenheit in den Kulturen bescheren, was wir anschliessend gebührend begiessen werden.
abbraccio_radices agere _ wurzeln schlagen _ part 3
Abbraccio ist der Titel unseres Hains – die Durchgehenden werden von der Natur umarmt (Hamacher/Moesch)
Liebeshain: Liste der Bäume: Apfelbaum, Buche, Buchs, Birke, Eibe, Eiche, Eberesche (Vogelbeere), Feige, Fichte, Flieder, Gewürzlorbeer, Ginkgo, Granatapfel, Hasel, Heckenrose, Holunder, Judasbaum, Kastanie, Kiefer, Kirsche, Linde, Mandelbaum, Myrte, Olivenbaum, Palme, Pfirsichbaum, Quitte, Stechpalme, Sechuanpfeffer, Tanne, Tamariske, Wacholder, Walnuss, Weide, Zeder, Zypresse.
Commissaires d'exposition: Jean-Damien Fleury, Esther Maria Jungo