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L'histoire du groupe d'artistes - du collectif / Die Geschichte der Künstlergruppe, des Kollektiv

06.03.2023

L'histoire du groupe d'artistes - du collectif / Die Geschichte der Künstlergruppe, des Kollektiv
«Allein denken ist kriminell» (RELAX. Chiarenza & Hauser & Co.) «Bildet Banden!» (Les Reines Prochaines) «& teilt Erfahrung und Wissen.» (CHARLATAN) «Niemand kann sagen, wo hier die Kunst anfängt und wo das Leben.» (Büro Berlin) «Ein offenes System der Begegnungen.» (Black Market)

Definition

Als Künstlergruppe, gelegentlich auch Künstlerkollektiv, bezeichnet sich ein offener oder fester Zusammenschluss von Künstlern zu einer Gruppe mit einem Namen.

Viele Künstler- und Künstlerinnengruppen hatten und besitzen auch heute noch grossen und wesentlichen Einfluss auf die verschiedenen Epochen der Kunst- und Kulturgeschichte. 

Les Reines Prochaines. The Golden Landscape of Feminism, 2012 (à côté du mind map lors de la présence de Charlatan dans la régie culturelle, 2022)

Les Reines Prochaines. The Golden Landscape of Feminism, 2012 (à côté du mind map lors de la présence de Charlatan dans la régie culturelle, 2022)

Zielrichtungen

Dennoch sind Künstler- und Künstlerinnengruppen eher ein modernes Phänomen. Viele der Gruppen und Künstlerkolonien um die Jahrhundertwende entstanden stets auch im Kontext von Reformbewegungen, im Versuch im Rahmen eines Gesamtkunstwerks (fast) alle Aspekte des sozialen Lebens zu verändern, um mittels Kunst den Alltag neu zu denken und mitzugestalten.

Sie widmen sich Strukturen, die Produktions- und Lebensformen betreffen, die von Gleichheit, Freiheit, Selbstverantwortung und Offenheit geprägt sein sollen. Es geht um einen Verbund, der sich mit kritischen Anliegen gegenüber herrschenden und normativen Strukturen und dem allgemeinen Konsens auseinandersetzt, um sie in einer grösseren Öffentlichkeit kundzutun. 

Diese selbstverständliche Offenheit bildet die Basis von sozial und politisch, nicht selten auch utopisch geprägten Bemühungen. Kollektives Dasein widmet sich Cultura im Sinne von bewahren, pflegen und hegen, ohne sich dem Diktat eines herrschenden Diskurses zu unterwerfen - im Gegenteil.

Das autonome Kunstwerk per se und tradierte Vorstellungen werden in Frage gestellt, die Grenzen zwischen den Bereichen und Gattungen sind fliessend, um auf andere oder neu definierte Vorstellungen von Kultur hinzuweisen. Auch die autonome, einzigartige und solitäre Künstlerpersönlichkeit, der Kult des schöpferischen Individuums (eine Erfindung der Neuzeit) soll zugunsten einer (temporären) Lebensgemeinschaft seine Bedeutung verlieren und das schöpferische Ich hinter das Werk zurücktreten. Das Individuum sucht die Gemeinschaft, deren Wissen, Fähigkeiten und Unterstützung.

Ein von Pluralität und Heterogenität geprägter Kulturbegriff geht davon aus, dass der / die Kulturschaffende nicht mehr Erfinder, als vielmehr Finder und Zeuge ist, der / das Gegebene präsentiert oder Gesammeltes neu verbindet. Auch wenn die Autorschaft und somit die individuelle Signatur bestehen bleiben soll, werden gemeinsam im Kollektiv kulturelle, soziale, politische und anthropologische Fragen erarbeitet. Es wird ein gemeinsamer kollektiver, schöpferischer Prozess angestrebt, wobei auch Akteure aus anderen Disziplinen für eine gemeinsame Recherche und Zusammenarbeit miteinbezogen werden.  Kollektive Recherchen, Fragestellungen und Lösungsvorschläge erhalten somit eine entscheidende Bedeutung.

 

Kunst und Leben greifen ineinander über und die Trennung zwischen Künstlern und Nichtkünstlern wird zusehends unbedeutend. Die gemeinsame Arbeit ist zugleich Ausdruck und Ermöglichung sozialer Interaktion und Kommunikation (Partizipation). Die Kulturschaffenden betreffen alle Menschen. Die Gemeinschaft versteht sich als eine Keimzelle, die wuchert und dynamisch in verschiedenste Richtungen neue Verbindungen eingeht.

Diese Überzeugung, findet sich selbstverständlich auch bei Joseph Beuys mit seinem Credo: «Jeder ist ein Künstler», wo die Gesellschaft als sozialer Organismus, als Lebewesen in einem Gesamtkunstwerk wirkt.  

Der postmoderne Eklektizismus eröffnet noch vermehrt Perspektiven, am kollektiven schöpferischen Leben teilzuhaben und diverse Stile und Techniken im High & Low sowie Herangehensweisen als selbstverständlich zu erachten, wodurch ein postmodernes, kollektives Schaffen begünstigt wird. Die engen Grenzen der Moderne werden zugunsten einer Zusammenarbeit von Publikum und Kulturschaffenden erweitert und der kreative Prozess per se erhält eine zentrale Bedeutung

Schliesslich sind Gruppen der Humus, aus dem neues Leben, eine erweiterte Dynamik, neues Denken erwächst. Alles ist in Bewegung.

Das Kollektiv ist stets ein fragiles Gebilde, das nicht selten von den Realitäten des Alltags eingeholt wird. Oft löst sich ein Kollektiv nach einigen Jahren wieder auf oder pausiert einige Zeit, wobei die Mitglieder sich wieder auf ihre eigenen Tätigkeiten konzentrieren.

Namhafte Künstlerkollektive

sind, neben zahlreichen avantgardistischen Gruppierungen des endenden 19. und des 20. Jahrhunderts,

Künstlerkolonie Monte Verità (https://www.monteverita.org/de/monte-verita/geschichte)

Art & Language (https://de.wikipedia.org/wiki/Art_%26_Language)

Die Situationistische Internationale (https://de.wikipedia.org/wiki/Situationistische_Internationale 

GENERAL IDEA (https://en.wikipedia.org/wiki/General_Idea)

Black Market (https://i-pa.org/black-market-international)

die anonyme Künstlerinnengruppe Guerilla Girls (https://www.guerrillagirls.com)

INSTAR (https://instar.org)

Pussy Riot (https://de.wikipedia.org/wiki/Pussy_Riot)

ruangrupa (https://ruangrupa.id)

für die Schweiz Groupe Ecart http://archivesecart.ch/artistes/ecart-groupe

RELAX (chiarenza & hauser & co.) http://www.relax-studios.ch

Les Reines Prochaines (http://www.reinesprochaines.ch)

für Freiburg PAC https://www.vincentkohler.ch/pac-cap/

CHARLATAN (http://www.charlatan.ch)

 

Documenta fifteen (((http://www.charlatan.ch)) – ein Exkurs

Die alle 5 Jahre stattfindende documenta fifteen in Kassel wird erstmalig nicht von einem Kurator geleitet, als vielmehr von einem 10-köpfigen indonesischen Kollektiv namens ruangrupa.

Das Kollektiv sieht «die Werte und Ideen von lumbung (indonesischer Begriff für eine gemeinschaftlich genutzte Reisscheune, wo Überschüsse gelagert werden) als Grundlage der documenta. Als künstlerisches und ökonomisches Model fusst lumbung auf Grundsätzen wie Kollektivität, gemeinschaftlichem Ressourcenaufbau und gerechter Verteilung und verwirklicht sich in allen Bereichen der Zusammenarbeit und Ausstellungskonzeption… ruangrupa lädt gemeinschaftsorientierte Kollektive, Organisationen und Institutionen aus aller Welt ein, die ihrerseits weitere Kollektive einladen, miteinander lumbung zu praktizieren und an neuen Nachhaltigkeitsmodellen sowie kollektiven Praktiken des Teilens zu arbeiten.» ruangrupa erweitert sich somit interkollektiv und führt den Starkult der Kuration als auch der Künstler*innen ad absurdum. Heinz-Norbert Jocks spricht von der «Genesis des kollektiven Rhizoms».

Sieben Basiswerte machen lumbung aus: Lokale Verankerung. Humor. Grosszügigkeit. Unabhängigkeit. Transparenz, Genügsamkeit und Regeneration. Hinzukommen Kollektivität, Ressourcenaufbau und gerechte Verteilung. Schliesslich möchte das Kollektiv ruangrupa ebenso eine Rolle in einem grösseren Kontext spielen, so wie in der Natur, wo verschiedene Arten ihre spezifischen Funktionen und Rollen erfüllen, um ein Ökosystem im Gleichgewicht zu halten.

Spezifische Aspekte von lumbung sind die Praxis, die Kosmologien, die Experimentierfreude, das Spielerische.

Nachhaltig soll die documenta sein, indem die Beziehungen und Erfahrungen, deren Gestaltungen und Prozesse während wie auch nach der documenta weiter bestehen und sich weiterentwickeln.

«Make friends not art»!